SACRARIUM

fot. Rafał Nosal

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Kirchen sind ungewöhnliche Orte. Orte, an denen sich Himmel und Erde begegnen; Orte der geistigen Verbindung des Menschen mit Gott, des österlichen Mysteriums Christi, des Eucharistie-Geheimnisses. Es sind auch geheimnisvolle Objekte mit ungewöhnlichen Bereichen, die den Gläubigen oft unzugänglich sind. Einer dieser Bereiche ist in den alten Kirchen das Sakrarium, auch Piscina genannt, gewesen. Ein solches Sakrarium wurde kürzlich in der Kathedrale von Oppeln entdeckt.

Schauen Sie nach unten. Es befindet sich direkt neben dem Fußboden. Es ist eine kleine, bogenartige und ziemlich tiefe Nische, mit einem kleinen Abfluss. Das Sakrarium wurde vor Kurzem bei der Sanierung des Doms entdeckt. Es befand sich unter einer dicken Putzschicht, an der Seitenwand des linken Kirchenschiffs.

Neben dem Sakrarium hat man auch eine weitere zugemauerte Nische entdeckt – weiß getüncht, nicht besonders tief, aber ziemlich hoch. Vielleicht stand dort einst eine Heiligenstatue. Wenn Sie sich diese Nische genauer ansehen, können Sie auf der Augenhöhe eines Erwachsenen das Jahresdatum – 1871 – entdecken. Am selben Ort wurde auf einem alten Nagel  eine Visitenkarte eines Berliner Bauunternehmens gefunden. Wahrscheinlich desselben, das hier vor anderthalb Jahrhunderten die Sanierungsarbeiten durchgeführt hat.

Zurück aber zum Sakrarium – in alten Kirchen waren es spezielle Orte, wo aus den liturgischen Riten verbliebenen Reste (wie z. B. von Weihwasser) entsorgt wurden.

Ins Sakrarium wurde außerdem die Asche aus verbrannter Watte, die bei der Salbung benutzt wurde, ausgeschüttet. Hier hat man auch das Wasser, in dem die sogenannte Kelchwäsche gewaschen wurde, ausgegossen. Alles deswegen, um die Reste dessen, was aus der Liturgie übrig geblieben ist, auf eine würdige Art und Weise zu entsorgen, ohne dabei gegen das zu verstoßen, was zur Ehre Gottes diente.

Sakrarien befanden sich meistens in der Nähe des Altars. Das in Oppeln entdeckte ist ein weiterer Beweis dafür, dass die ursprüngliche Kirche genau an diesem Ort stand.

Wenn Sie sich die hohe Mauer, unter der sich das Sakrarium befindet, genauer ansehen, werden Sie viele Spuren von Umbauarbeiten feststellen – alte Bogen, verschiedene Ziegel- und Fugenstruktur oder feine Einbuchtungen der Mauer. Sie ähneln Narben am menschlichen Körper, die ab und zu operiert und wieder zusammengenäht werden. Wenn Sie deren Umrissen folgen, können Sie Ihrer Fantasie freien Lauf lassen und sich vorstellen, wie die ehemalige Oppelner Kirche zu der Piasten-Zeit und in den folgenden Jahrhunderten aussehen konnte...