PIASTENKAPELLE

fot. Andrzej Nowak

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Jeder, der die Piastenkapelle nur kurz besichtigt, kann sich wie auf einer Zeitreise nach Oppeln zur Zeit der Piasten-Herzöge fühlen. Sie wurde an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert erbaut und ursprünglich die „Kapelle der Heiligen Dreifaltigkeit“ genannt. In der Mitte der Kapelle befindet sich ein Steinsarkophag des letzten Oppelner Piasten: Fürst Johann II. von Oppeln, der am 27. März 1532 gestorben ist. Der Herzog starb ohne einen Nachfolger. Sein Wunsch war es, in der Oppelner Stiftskirche beigesetzt werden. Er ist auch der einzige Piasten-Herzog, der in dieser Kirche ruht. Die anderen Piasten wurden in Krypten der nahe gelegenen Franziskanerkirche bestattet.

Warum wurden die sterblichen Überreste von Herzog Johann in der Stiftskirche beigesetzt? Denn dank seiner Bemühungen ist die Kirche – nach einem der großen Brände, die die Kirche im Laufe der Jahrhunderte mehrmals zerstörten –letztendlich wieder aufgebaut worden. Dank seiner Unterstützung wurde die Stiftskirche 1520 zu der heutigen Form erweitert. Er machte die Kirche zum Ruhm und Stolz der Stadt. Deshalb wurde er hier mit königlichen Ehren begraben.

Seine letzte Ruhe fand er mit fürstlichen Insignien, einem Schwert und einer blau-gelben Fahne des Fürstentums Oppeln, in einem Bleisarg. Über den Begräbnisort wurde, dank der Bemühungen des Johann Grafen von Oppersdorff, ein Grabstein angefertigt. Das Grab wurde mit einer roten Marmorplatte bedeckt, und auf dem Renaissance-Epitaph wurde das Piasten-Wappen gesetzt. Darauf befindet sich auch eine lateinische Inschrift, die sich folgend übersetzen lässt: „Am 27. März 1532 starb der hochwohlgeborene und berühmte Herzog Johann II., der letzte schlesische Herzog in Oppeln, Oberglogau und Ratibor, ein gottesfürchtiger Mensch, großzügig gegenüber Gott und den Menschen. Amen.“

Interessanterweise befand sich die ursprüngliche Grabstätte von Herzog Johann II. an einer anderen Stelle, nämlich unter dem Fußboden des Hauptkirchenschiffs vor dem Presbyterium. Sie wurde 1985 bei Sanierungsarbeiten am Fußboden gefunden, was vor den kommunistischen Behörden geheim gehalten wurde. Die Arbeiten wurden mehrere Nächte heimlich durchgeführt. In der Morgendämmerung wurde der Ort aufgeräumt, damit niemand etwas ahnen konnte. Die Überreste des Herzogs wurden dank einer Analyse von Protokollen aus dem 17. Jahrhundert und... einem alten, 1968 gefundenen, Aquarell, das das Kircheninnere darstellt, lokalisiert. Die Untersuchungen der Knochen wurden jedoch auf spätere Zeit verschoben, wobei lediglich festgestellt wurde, dass sich kein Schwert, keine Fahne und keine fürstlichen Insignien im Sarg befinden und die Überreste in einem hölzernen, und keinem bleiernen Sarg begraben sind. Historikern zufolge wurden die Insignien und der Sarg des Fürsten wahrscheinlich während der schwedischen Invasion im 30-jährigen Krieg ausgeraubt und der Blei wurde für militärische Zwecke benutzt.

Die Exhumierung und Verlegung der Überreste des Herzogs erfolgte erst 1999, kurz nach der großen Protestwelle zur Verteidigung der Woiwodschaft Oppeln. Die Region Oppeln sollte infolge der Reform der Verwaltungsstruktur aufgelöst werden. Der damalige Dompfarrer, Prälat Stefan Baldy, versprach sich, dass, der Herzog Johannes II. in der Piastenkappele beigesetzt wird, sobald die Woiwodschaft Oppeln überdauert.

Die Woiwodschaft blieb erhalten, und Prälat Baldy hielt sein Wort. Die wiederholte, feierliche Beisetzung fand am 19. Juni 1999 statt. Doch zuvor wurden die bewahrten Überreste des Fürsten – 266 Knochen – gründlich untersucht. Dadurch wissen wir, dass Johann II. 170 cm groß war, im Alter von etwa 70 Jahren, wahrscheinlich infolge einer schweren Grippe, starb und dass er an Arthritis und Rheumatismus litt.

Aber die Piastenkapelle verbirgt mehr Schätze als nur das Grab von Herzog Johann II. An der Wand hängt ein beträchtliches barockes Gemälde aus dem 18. Jahrhundert, das den Stammbaum der Piasten darstellt. Nach neuesten Erkenntnissen ist es ein Werk von Johann Christoph Lischka aus dem Jahr 1711. Darauf sind nicht nur die Namen und das Wappen folgender Fürsten, sondern auch deren Personen dargestellt. Der Stammbaum zeigt die Verwandtschaft der Oppelner Piasten mit den polnischen Herzögen: angefangen mit den legendären Fürsten Popiel, Siemowit, Lestek, Siemomysł, über die historischen Herrscher von Polen Mieszko I. und Bolesław I, bis hin zum bereits erwähnten Oppelner Fürsten Johann II.

Bemerkenswert ist auch das sich in der Kapelle befindende spätgotische Triptychon aus Kostau aus dem Jahr 1519. Im zentralen Teil befinden sich drei Frauengestalten: die Gottesmutter mit dem Christkind auf dem Arm und neben ihr die heilige Barbara und die heilige Katharina. Auf den Flügeln des Triptychons wurden der heilige Johannes der Täufer und der heiliger Johannes der Evangelist gemalt. Und wenn das Triptychon geschlossen wird, erscheinen die heiligen Apostel Peter und Paul.